Insights

Zwischen Unsicherheit und Aufbruch – Corona als Game Changer

So langsam pendelt sich wieder die altbekannte Normalität ein – Zeit für einen Rückblick auf über zwei Jahre Pandemie und ihre Auswirkung auf die Wechselmotivation. Man könnte denken, dass in unsicheren Zeiten die Stabilität im Job ein wichtiger Faktor ist – und man diesen beibehalten möchte. Dadurch lässt sich der einfache Schluss ziehen, das Mitarbeitende die berufliche Sicherheit vorziehen und in unsicheren Zeiten keinen Stellenwechseln planen. Wie eine Studie von XING E-Recruiting zeigt, ist diese Annahme zu jedoch zu kurz gegriffen. Viel mehr zeigt sich das Gegenteil, die Bereitschaft zum freiwilligen Jobwechsel ist in den vergangenen zwei Jahren gestiegen.

Seit Beginn ist klar, dass die Corona-Pandemie ihre Spuren im Arbeitsmarkt hinterlässt.  Kurzarbeit und eine erhöhte Arbeitslosenquote waren in den Medien ein Dauerthema. Nach der ersten Welle im Jahr 2020 hat sich der Arbeitsmarkt erholt, die Unsicherheiten aber blieben teilweise bestehen. Umso überraschender die Ergebnisse der Umfrage, dass die Bereitschaft zu einem Jobwechsel in der Corona-Pandemie gestiegen ist. Doch wie überraschend sind diese Ergebnisse wirklich? Ist es nicht vielmehr die Summe logischer Überlegungen?

Dass die Pandemie Veränderungen anregt, liegt auf der Hand. Auf dem Arbeitsmarkt spielt das Thema der «Krisensicherheit» eine wichtige Rolle, sowohl zu Beginn der Pandemie als auch im Jahr 2022, jedoch steigt auch der Wunsch nach beruflicher Veränderung. Rund die Hälfte der Befragten in der deutschsprachigen Schweiz (54%) ist offen für einen Wechsel oder plant diesen konkret – was einer Steigerung von 5% gegenüber 2019, dem Vor-Coronajahr, gleichkommt. Die Krise hat offengelegt, wo Optimierungsbedarf im Unternehmen besteht und Unzufriedenheit herrscht. Durch die vielerorts eingeführte Kurzarbeit wurde viel Raum für Gedanken geschaffen, Gedanken über den Arbeitsgeber aber auch über die eigenen Befindlichkeiten. Die räumliche Distanz aufgrund des Home-Office schaffte oftmals die Übernahme einer neuen Perspektive, getreu dem Motto «Wer die Dinge mit dem nötigen Abstand betrachtete, sieht plötzlich anders». Bisher im Verborgenen gebliebene Unstimmigkeiten wurden ans Tageslicht gebracht und konnten erst richtig beleuchtet werden. Vielen wurde bewusst: intransparente Gehaltsstrukturen, fehlende Mitarbeiterförderung und eine unzureichend funktionierende interne Kommunikation wollen nicht länger einfach hingenommen werden. Spinnen wir diese Gedankengänge weiter, ist die coronabedingte Situation ein Katalysator für Veränderungen.

 

Kopf über Herz

Entscheidungen trifft man – das Bauchgefühl in allen Ehren – doch meist mit dem Kopf. Jedoch bremst das Gehirn Veränderungen, aus Liebe zu Gewohnheiten und Routine. Dadurch wird einen beruflichen Wechsel erst angestrebt, wenn die aktuelle Situation einen Leidensdruck erzeugen oder die Chancen und Verlockungen im neuen Job müssen hervorstechen. Durch die pandemischen Umstände haben sich die haben sich die Bedürfnisse und damit die Verlockungen für einen Jobwechsel verändert. Laut der Umfrage gaben die Befragten folgende Gründe als Entscheidungsfaktoren an:

 

 

  1. Sicherheit: «Ich möchte einen krisensicheren Job»
  2. Wunsch nach Veränderung: «Ich hatte Zeit zum Nachdenken, wobei der Wunsch nach Veränderung aufkam.»
  3. Jetzt erst recht: «Ich möchte mich schon länger beruflich weiterentwickeln. Während Corona kam die Frage auf: Wann nicht jetzt, wann dann?»
  4. Fähigkeiten einsetzen: «Ich möchte meine Talente stärker einsetzen, um beruflich zufriedener zu sein.»
  5. Längere Unzufriedenheit: «Seit längerem bin ich Unzufrieden im Job und habe nun den Willen, beruflich etwas zu verändern.»

 

Eine wichtige Erkenntnis aus der Studie umfasst eine weniger grosse Wichtigkeit bezüglich des Gehalts. In einer Zeit von Kurzarbeit und Umsatzeinbußen würde man dem Gehalt mehr Wert beimessen, doch vielleicht hat genau dieser zwangsweise Verzicht dem einen oder anderen gezeigt, dass es auch im Berufsleben Wichtigeres gibt als Geld. Den Studienergebnissen zufolge sind das vor allem Anerkennung und mehr Lebensqualität.

 

Was wird nach Corona?

Mit dem Aufkommen der mehr oder weniger vorpandemischen Normalität stellt sich die Frage, ob die Bereitschaft zu wechseln wieder um die gestiegenen Prozente fallen wird. Zunächst wird wohl das Gegenteil eintreten. Das Wechselkarussell wird sich, so eine Einschätzung der Handelszeitung, noch einmal schneller drehen, da nun auch diejenigen einen Jobwechsel anstreben werden, die durch die Krisensicherheit gehemmt waren und den Wechsel während der Pandemie aufschoben. Dabei stellt Corona nun neue Bedingungen an den Arbeitsplatz: Der Wunsch nach einer ausgewogeneren Work-Life-Balance wurde durch das Homeoffice durch flexiblere Arbeitszeiteinteilungen teilweise erfüllt. Die von der Bertelsmann-Stiftung erhobenen Daten zeigen, dass 85% der Befragten sich sicher sind, dass sich das Homeoffice sowie die mobile Arbeit als alternative Arbeitsform etablieren wird. Während der Pandemie wurden in Unternehmen neue Strukturen geschaffen, digitale Tools entwickelt und Kommunikationswege geschaffen. Nach dieser aufwendigen. IT-lastigen Arbeit werden Unternehmen diese wohl mehrheitlich beibehalten und eine hybride Arbeitsweise vor Ort und im Homeoffice anbieten. Einen weiteren Trend, der sich beobachten lässt, ist das durch die Pandemie hervorgerufene Bewusstsein der Nachhaltigkeit einer digitalen Arbeitskultur.

 

road arrow
Autorin: Sabrina Tanner
Bildquelle: Hayes Potter auf Unsplash Karriere.at-Studie
Xing E-Recruiting-Studie „Arbeitgeberwechselbereitschaft“
Bertelsmann-Stiftung „Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Arbeitswelt: Was bleibt und was nicht?“
Arkadium AG

Teilen auf: